Unterschriftensammlung soll die Bundesbahn noch umstimmen (Gießener Anzeiger, 22.01.1981)

Nachstehender Bericht erschien im Gießener Anzeiger am 22. Januar 1981 im Lokalteil: Lollar / Staufenberg /Allendorf /Rabenau

Unterschriftensammlung soll die Bundesbahn noch umstimmen

Arbeitsgruppe gegen Stillegung der Strecke Lollar – Londorf gebildet

Staufenberg-Treis (gu). Im Stadtteil Treis hat sich unter der Leitung von Hans Gerhard Wimmel, Dieter Becker, Klaus Bender, Thea Klein und Ellen Wimmel anfangs des Jahres eine parteiunabhängige Arbeitsgruppe gebildet, die dazu beitragen möchte, daß die für den 31.5.1981 von der Bundesbahn beabsichtigte Stillegung des Personenverkehrs auf der Bahnstrecke Londorf – Gießen nicht vorgenommen wird. Insbesondere soll durch eine Unterschriftensammlung bei der Treiser Bevölkerung und bei den Fahrgästen der Züge den Bürgern Gelegenheit gegeben werden, sich ebenfalls für die Beibehaltung des Schienenverkehrs auf dieser Strecke auszusprechen.

Diese Aktion hat bisher bei der Bevölkerung ein sehr positives Echo gefunden, so daß bereits unerwartet viele Unterschriften gesammelt werden konnten. Darüber hinaus haben viele der bisher Angesprochenen ihr Unverständnis über die geplante Stillegung zum Ausdruck gebracht. Die Unterschriften sollen sowohl in der Bundesbahndirektion in Frankfurt/Main, als auch dem Bundesverkehrsministerium zugeleitet werden, um den zuständigen Behörden die Meinung der Bevölkerung zu diesem Problem kundzutun.

Die Argumentation der Bundesbahndirektion Frankfurt, der Schienenverkehr sei vergleichsweise zum Busbetrieb weniger wirtschaftlich, ist nach Ansicht der Initiatoren der Unterschriftensammlung höchst zweifelhaft und auch nicht bewiesen. Vor allem sei zu berücksichtigen, welche zusätzlichen Kosten der Bundesbahn entstehen, wenn die wegfallenden Züge durch Busse vollwertig ersetzt werden sollen. Nach Auffassung der Arbeitsgruppe müßten allein um den Zug, der morgens um 6.53 Uhr ab Treis nach Gießen fährt zu ersetzen, mindestens vier weitere zusätzlich zu den bereits jetzt verkehrenden zwei Bussen eingesetzt werden, da dieser Zug z.Z. von etwa 240 Personen benutzt wird. Auch für den etwas früheren Zug müßten nach der z.Z. vorhandenen Inanspruchnahme durch die Bevölkerung zusätzlich drei Busse eingesetzt werden, wenn annähernd allen Fahrgästen ein Sitzplatz zur Verfügung stehen soll, den die Benutzer der Züge jetzt noch in Anspruch nehmen können.

Es sei jedoch sehr fraglich, ob die Bundesbahn bereit und in der Lage ist, das Busangebot in dieser Höhe im Fall der Streckenstillegung zum 31.5.1981 zu erweitern. Zudem seien in dem für die Zeit nach dem 31.5.1981 vorgesehenen Fahrplanentwurf Busse als „neu“ gekennzeichnet, die bereits z.Z. verkehren, wie z.B. die Busse um 6.38 und 8.18 Uhr. Nach Auffassung der Arbeitsgruppe ist zu vermuten, daß es durch die Streckenstillegung zu einer erheblichen Verschlechterung des Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln kommen wird.

Sollte daa Busangebot wider Erwarten in zufriedenstellenden Maß erweitert werden, so führe dies zu einer erheblichen Gefährdung der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses, wenn man bedenke, daß sich gegen 7 Uhr etwa sechs Busse durch z.T. enge Ortsdurchfahrten bewegen müßen. Dies führe auch für die Anwohner zu einer erheblichen Mehrbelastung an Lärm und Abgasen.

In den letzten Tagen hat sich aufgrund der winterlichen Straßenverhältnisse bewiesen, daß der Schienenverkehr wesentlich zuverlässiger und zeitsparender ist, als der Busbetrieb, der teilweise erhebliche Verspätungen von bis zu einer Stunde aufwies bzw vollkommen zusammenbrach. Die von der Bundesbahn in einem Schreiben an die Gemeinden getroffene Behauptung, daß „witterungsbedingte Schwierigkeiten andere Verkehrsträger gleichermaßen betreffen“ und  „daß auftretende Behinderungen in kurzer Zeit beseitigt wurden“ ist durch Behinderungen im Busbetrieb eindrucksvoll wiederlegt worden. Zudem sei die Argumentation der Bundesbahn höchst unglaubwürdig, werbe sie doch an anderer Stelle mit „Die Bahn fährt immer“.

Außerdem könnte die Benutzung der Züge dadurch gesteigert werden, daß durch geringfügige Fahrplanverschiebungen bessere Anschlüße und Abfahrtzeiten hergestellt werden. So verläßt z.B. ein Zug Lollar in Richtung Londorf um 16 Uhr, so daß die bei Buderus beschäftigten Arbeitnehmer diesen Zug nicht mehr erreichen können.  Auf der anderen Seite sei es überlegenswert, ob nicht einige Züge, die zu verkehrsschwachen Zeiten verkehren, wegfallen könnten.

Die Arbeitsgruppe glaubt mit einer Vielzahl der Bürger darin einer Meinung zu sein, daß es äußerst fragwürdig und unsinnig ist, gerade in Zeiten zunehmender Energieverknappung und -verteuerung ein umweltfreundliches, energiesparendes, schnelles und zuverlässiges Verkehrsmittel dem Bürger nicht mehr zur Verfügung zu stellen.

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